Judenlöcher

Das hier befindliche, natürliche System aus Höhlen und Erdspalten im Kalkgestein wird im Volksmund „Judenlöcher“ genannt. Der Überlieferung nach sollen sich hier im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) Familien der jüdischen Gemeinde Stühlingens versteckt gehalten haben. Dafür gibt es allerdings keinen Beweis.

Tatsächlich erlebte Stühlingen zwischen 1632 und 1640 schwere Zeiten. Negativer Höhepunkt war der Winter 1633/34, als 30 000 Soldaten der kaiserlichen Truppen in der Region überwinterten. Die gesamte Einwohnerschaft litt unter dieser Einquartierung. Es ist gut vorstellbar, dass die ansässigen Juden nicht nur ausgeplündert, sondern auch drangsaliert wurden. 

Nachgewiesen ist, dass Stühlinger Juden zu dieser Zeit in die Schweiz nach Hallau und nach Rheineck (Rheintal) flüchteten.

 

Jüdische Leben in Stühlingen

Seit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts bis 1743 lebte in den Mauern des Stühlinger Städtles eine stattliche jüdische Gemeinde. Die Familien, die vor allem entlang der Judengasse, der heutigen Gerberstraße, wohnten, bezahlten für dieses Recht einen hohen Preis. Regelmäßig erneuerte Satzbriefe hielten genau fest, welche Summen an Schutzgeld sie zunächst an die Grafen von Lupfen und später an die Pappenheimer und Fürstenberger sowie in die Stadtkasse zu zahlen hatten. Auch die Rechte und Pflichten der Juden waren genau festgelegt. Bis 1743 war es ihnen erlaubt in Stühlingen ihren Geschäften nachzugehen und ihre Religion auszuüben. Im Judenwinkel stand die Synagoge, in der Nähe gab es auch eine Mikwe (Ritualbad). Ihre Verstorbenen bestatteten die Stühlinger Juden auf der ihnen zugestandenen Begräbnisstätte im Schinderwald. Nicht zuletzt auf Betreiben der Stadtbewohner weigerte sich Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg den Schutzbrief zu verlängern. Die ortsansässigen jüdischen Familien wurden aus der Hohenlupfenstadt ausgewiesen. Sie verzogen vor allem nach Endingen und Gailingen.

[Text: Jutta Binner-Schwarz / Quellen: Fürstlich Fürstenbergisches Archiv / Gustav Häusler, Stühlingen – Vergangenheit und Gegenwart]

 

Ralph Bloch

Der in Toronto lebende Ralph Bloch, Schweizer Jude mit Stühlinger Vorfahren, erwähnt  den Dreißigjährigen Krieg in seinen Recherchen zur Geschichte der Stühlinger Juden. 

Er schreibt sinngemäß: „Der Sage nach flohen einige verängstigte Juden in den steilen, bewaldeten Hang südlich von Stühlingen und versteckten sich in Höhlen, die noch heute „Juden Holes“ – Judenlöcher, genannt werden. Andere flohen in die Schweiz.“ Er benennt einen Samuel ben Guggenheimb, der in Hallau Zuflucht suchte. Weitere Stühlinger Juden zogen bis Rheineck im Rheintal, um sich der dort befindlichen kleinen jüdischen Gemeinde anzuschließen. Dort hatten sich bereits 1632 Stühlinger Juden niedergelassen. (1632 zogen kaiserliche und schwedische Truppen durch Stühlingen).

Er fand keine genaueren Angaben zu den „Judenlöchern“ in den Archiven.

Übersetzung der entsprechenden Textstellen:

„Allgemein wird gelehrt, dass der 30-jährige Krieg von 1618 bis 1648 dauerte, obwohl einige Historiker ihn von 1609 bis 1660 datieren. Egal wie lange er dauerte, die Stühlinger Juden waren hauptsächlich von 1632 bis 1640 betroffen. Wir wissen, dass im Februar 1633 von Samuel (Schmol) ben Jacob verlangt wurde, im Auftrag der Gemeinde Eberfingen Getreide an die Truppen zu liefern.

Im Herbst diesen Jahres trafen die bayrischen Truppen unter Johann Graf von Aldingen mit der spanischen Armee unter Gomez Suarez de Figueroa y Cordoba, Herzog von Feria bei Stühlingen zusammen, mit der Absicht, dort den Winter zu verbringen.

Die Armeen ernährten sich von der Natur und raubten sowohl Juden als auch Nichtjuden aus. Der Sage nach flohen einige Juden erschrocken in den steilen, bewaldeten Hang südlich von Stühlingen und versteckten sich in Höhlen, die noch heute „Judenlöcher“ genannt werden. 

Einige Juden liefen noch weiter weg. Samuel (Schmol) ben Jacob Gugenheimb hat Zuflucht in Hallau/ Schweiz gesucht. Einige Juden sind geflohen, um sich der kleinen jüdischen Gemeinde von Rheineck im Rheintal oberhalb des Bodensees anzuschließen. Bemerkenswert war „Jakob von Stühlingen“ unter den eingewanderten Juden, der beim Verkauf gestohlener Juwelen gefangen wurde, die er vermutlich von plündernden Soldaten ca. 1632/33 erworben hat. Wir wissen, dass die fragliche Person ein gewisser Jekuff Gugenheimb war.

Umgekehrt hat Stühlingen Juden aus anderen Regionen, die vom Krieg verwüstet waren, befristetes Obdach angeboten. Aber die Gier war niemals fern.

Aber nicht nur die Juden wurden von der Armee verfolgt: Graf Maximilian von Pappenheim floh mit dem gesamten Haushalt und seinen höheren Beamten nach Schaffhausen/ Schweiz, wo sie die restliche Kriegszeit verbrachten. Der Graf war in einer schwierigen Situation. Als Protestant unterstützte er das protestantische Bündnis von Heilbronn und war deshalb eine „Person non grata“ für die kaiserliche Seite.

Das kaiserliche Corps belagerte die Burg und 30 000 Soldaten schwärmten in die Stadt und die umliegenden Dörfer.

Da Juden davon ausgenommen wurden, Soldaten wegen deren Fehlverhalten aufzunehmen, forderten der Bürgermeister und der Gemeinderat der Stadt Stühlingen 800 Gulden (fl.) von den Juden, ein Viertel der gesamten Kosten, als deren Beitrag. Stattdessen boten diese 100 fl. an.

In den Jahren von 1633 bis 1635 haben wir relativ wenige Beiträge, die die Juden betreffen.

Es gibt Anzeichen, dass David von Eberfingen während des Krieges von Soldaten getötet wurde und sein Besitz verkauft wurde. Zwischen März und Oktober 1633 verstarb Nathali (Hürtzle) ben Raphael, ein Enkel des legendären Isaak von Stühlingen, relativ jung und hinterließ eine Witwe und 2 minderjährige Söhne. Es wurde uns nicht gesagt, ob er eines natürlichen oder eines gewaltsamen Todes verstarb. Im April 1636 wurde ein Mann namens Jacob zum Nachfolger Naphtalis bestimmt und erhielt Schutz. Im Frühling 1638 heiratete Jacob Naphtalis Witwe.

Joseph (Josephle) ben Jacob Gugenheimbh war anscheinend nach Lengnau umgezogen, um dem Chaos zu entfliehen. Unglücklicherweise tat ihm dies nicht gut: Er wurde in den Wirren des ersten Villmergerkrieges umgebracht und die Witwe kehrte mit ihren Kindern nach Stühlingen zurück. Während Juden von einigen anderen Dörfern und kleinen Städten in größere Städte umzogen, schien dies in Stühlingen nicht der Fall zu sein.

Im Juni 1635 wurde Jacob (Jeggle) ben Judah Weyl, einem relativ jungen Mann, der erhebliche Betrag von 157 fl. von der Stadt anvertraut und es wurde von ihm verlangt, das Geld General Major Bernhard von Schaffalitzky zu Mukadel zu bringen, als unfreiwilliger Beitrag zum Krieg.

Schaffalitzky, Spross einer adligen mährischen Familie, der aber in Brackenheim, Württemberg geboren wurde, fungierte als Beauftragter des schwedischen Generals Horn. Dadurch hat sich das Blatt gewendet und Stühlingen stand nun unter schwedischer Besatzung. Diese Tatsache schien aber für Maximilian von Pappenheim nicht ausreichend genug zu sein, nach Stühlingen zurück zu kehren.

Anfang Februar 1638 wurde Stühlingen von den kaiserlichen Truppen unter Leutnant Feldmarschall Graf Johann von Werth überfallen und ausgeraubt. Kurz nach der zweiten Schlacht von Rheinfelden (3. März 1638), tauchte der General Prinz Bernhard von Sachsen Weimar mit seiner siegreichen französischen Armee in Stühlingen auf, um Proviant einzufordern. Die einzigen Berichte Juden betreffend waren Berichte über Schutzgebühren. Es ist möglich, dass während der kritischen Jahre der Stühlinger Verwaltungsapparat die Aufgaben weitestgehend niedergelegt hat.“

Quelle: http://Stuehlingen.online/Book