Wasenplatz
Hier stand einst die Wasenhütte des Wasenmeisters (Schinder/Abdecker) und somit die offizielle Abdeckerei der Region. Im 16. Jahrhundert erkannte man, dass Tierkadaver Ursachen für Krankheiten waren. Deshalb wurde die Bevölkerung verpflichtet, verendete Tiere dem von offizieller Seite bestellten Wasenmeister zu übergeben.
Dieser zerlegte sie hier an diesem Platz. Die Haut war für die Gerber reserviert, die Knochen verkochte er zu Leim und Seife. Gleichzeitig war er für das Herstellen von Jagdködern für die Landesherren zuständig. Tiere, die einer Seuche zum Opfer gefallen waren, mussten besonders tief vergraben werden. Dies erklärt auch, dass hier vor einigen Jahrzehnten Waldarbeiter beim Tännlesetzen immer wieder auf Tierknochen stießen.
Theodor Seidel (1784–1833) soll der letzte Stühlinger Wasenmeister gewesen sein, wie alle seine Vorgänger war er gleichzeitig Scharfrichter. Abdecker selbst hat es bis um 1900 gegeben, danach übernahmen Tierkörperbeseitigungsanstalten ihre Arbeit. Wie lange die Abdeckerei im Schinderwald betrieben wurde, ist nicht bekannt.
Beispiel 1846
In Gustav Häuslers Buch „Stühlingen – Vergangenheit und Gegenwart“ ist vermerkt:
„Im Jahre 1846 sind dem Posthalter Nepomuk Fechtig innerhalb von 6–8 Wochen 8 Pferde an Rotz erkrankt und mußten getötet werden. Diese Tiere wurden teils in der Schinderwiese beim Richtbrunnen verscharrt, teils im Schinderwald (Vordere Bücken) vom Wasenmeister zerlegt und zur Schmierseifenzubereitung ausgekocht.“
Dies erklärt auch, dass vor einigen Jahrzehnten Waldarbeiter beim Tännlesetzen am „Wasenplatz“ immer wieder auf Tierknochen stießen. (Quelle: Gustav Häusler, „Stühlingen – Vergangenheit und Gegenwart“)
Vertrag 1734
Im Schleitheimer Gemeindearchiv befinden sich mehrere Schriftstücke zum Thema Abdeckerei.
Dazu gehört ein Vertrag zwischen Alexander Stamm, dem Besitzer der „Bartenmühle“ und dem Stühlinger Scharfrichter Christoph Vollmar aus dem Jahr 1734. Die Mühle gehörte damals zum Herrschaftsgebiet der Fürstenberger, heute befindet sie sich auf Schleitheimer Gebiet.
Hier war festgehalten, dass es der Bartenmüller bei Meister Vollmar anzuzeigen hatte, „wenn ein Stuck Vieh groß oder klein verendet, dieser obligiret sich dahin zu begehen das gefallene Stuck selbstens oder durch die seinigen auszuziehen.“ Der Bartenmüller bekam die Haut des verendeten Tieres, musste aber im Gegenzug dem Wasenmeister Lohn für dessen Verrichtungen bezahlen.
(Text: Jutta Binner-Schwarz, Quelle: Gemeindearchiv Schleitheim)
Wasenmeister
Wasenmeister übten oft gleichzeitig den Beruf des Henkers aus. Beide Tätigkeiten zählten zu den unehrlichen Berufen. Damit gehörten die Mitglieder dieses Standes der untersten Gesellschaftsschicht an. In der Regel mussten sie vor der Stadtmauer wohnen. Außerdem durften sie nur innerhalb ihrer Berufsgruppe heiraten.
Gemeindearchiv Schleitheim IA 22, 01/14
1734, Febr. 6. Vertrag zwischen Alexander Stamm, Bartenmüller, Schleitheim und Christoph Vollmar, Scharfrichter von Stühlingen wegen der Kadaverbeseitigung in der Bartenmühle.
Vertragstext:
Verglich zwischen Alexander Stamma, Müller und Bürger zu Schleitheimb und Christoph Vollmar, Scharffrichter alhier zu Stühlingen
Extract d fürstlichen Oberambts Prothocollz dd. 6. Febr. 1734
Nachdeme schon von geraumer Zeit hero entzwischen der in diesseithig Fürstl. Fürstenbergisch hocher Jurisdiction gelegener sogenanter Barthen Mühle welche der gemeind zu Schleitheimb aigenthümlich zu gehörig, und dermahlen Alexander Stamma, Bürger von daselbsten bestands-weiss innhat, und besitzet, und dann entzwischen dem jeweilig Scharrpfrichtern und Maistern alhier die… gewesen, dass die letztere eintweders das recht so die fürstenbergisch unterhanen gewässen oder aber gleichwie dess löbl. Cantons Schaffhausen verbürgerte untergebne profentiren: wohingegen der ahnstand disseits genohmen worden, dass dis gesuchte recht mann der gemeind von darumben nicht einstehen können, weilen ein jeweiliger Bestands-Müller kein disseitiger unterthan, mithin auch nicht die disseitige Jura, noch die Jura des Löbl. Cantons ahnge… Die Mühle nicht auff selbiger hohen jurisdiction gelegen zu suchen habe, dahero hat Mann die ursach von seithen allhiesigem Oberamtsgericht ein güetliches Mittel zu tröffen also und dergestalten, dass mann sich ein unglückoder anderen fahl von seiten des jeweiligen
Mühle Beständers eraignet und ein Stück Vich, solches mag gross oder klein seyn, fallet, solle der Mühle Beständer schuldig und verbunden seyn, solches dem alhiesigen Maister Christoph Vollmar ahnzuzeigen, hingegen diser ebenmässig obligiret sich dahin zu begeben, und das gefallene Stuck eintweders selbsten, oder durch die seinigen ausziehen zu lassen, des Lohnes halber ist die vergleichung dahin geschehen, dass die Hauth dem jeweiligen Barthen Müller ein gehändiget und zugehörig seyn solle, das Stuck Vich mag alssdann ausser der Landt khundig ? und allgemeiner und Ahnsteckender Sucht, innerlich oder äusserlich vor einem zustand haben, wass es wolle, wohingegen der jeweilige Barthen Müller ahn Lohn zu geben hat
Von einem Pferdt, Stier, Kuh und derglichen, über 3 jahr alt 45 x (Kreuzer)
Trinckgelt 6 x
Von einem Fühle, Stier oder Kuh kälber, so 2 oder 3 jährig 30 x
Trinckgelt 6 x
Von einem -Fühle, Stier oder kuh kälber, ein jahr alt und darunter,
auch von einem Schwein 24 x
Trinckgelt 4 x
Von gaissen Schaff, Böck, saugende Kälber 15 x
Trinckgelt 2 x
Welcher Verglich dann addies vito des jetzmahlig Beständers Alexander Stamma und Christoph Vollmar von Obrigkaits wegen Extrahiert und jedem Thayl eine Extractum Prothocollis zu Handen gestelt worden
Extrahirt Stühling... sub dato et supra Oberamts Canzlei allda