Ziegelhütte

Hier stand einst die Stühlinger Ziegelhütte mit Werkstatt und Brennofen. 

Sie wurde bereits vor 1527 gegründet. Ihre Blütezeit war im 18. und 19. Jahrhundert. Die Anlage befand sich seit 1696 im Besitz der Stadt, die sie bis 1869 an verschiedene Zieglerfamilien verpachtete. Dann verkaufte sie ihr Eigentum für 4000 Gulden an den Ziegler Emanuel Sauter.  Dieser musste schon bald Konkurs anmelden. Am 15. März 1873 ersteigerte Christian Schempp die Ziegelhütte. Bis 1897 stellte er hier Ziegel her. 

Für ihre Ziegel verwendeten die Ziegler bevorzugt Lehm aus dem „Wösterholz“. Diese Tongrube gehörte bis 1803 zum Hoheitsgebiet der Fürstenberger und bis 1839 zum Großherzogtum Baden. Der Pächter der Stühlinger Ziegelhütte hatte laut eines Vertrags grundsätzlich das Recht, im „Wösterholz“ Lehm zu graben.  Dafür musste er jährlich „200 Ziegelblatten unentgeltlich“ an die Gemeinde Schleitheim liefern. Des Weiteren fand der Ziegler fetten roten Ton im Gewann „Geltel“, mageren blauen Ton direkt bei der Ziegelhütte. Beide Arten vermischte er und trieb sie  durch eine Walze, um etwaige Kalkstückchen zu zermahlen. Nach weiterer Bearbeitung schlug er den Ton in ein Model und setzte die Nase auf.

Die vorbereiteten und getrockneten Ziegel brannte man acht Tage lang. Der Weg von der Ziegelhütte zum „Wösterholz“ hieß im Volksmund „Leimweg“.

(Text: Jutta Binner-Schwarz / Quellen: Gustav Häusler, Stühlingen – Vergangenheit und Gegenwart / Gemeindearchiv Schleitheim)

 

Pächter und Besitzer

Die Gründung der Stühlinger Ziegelhütte ist nicht nachweisbar, aber sie bestand sicher schon vor 1527. Dies bezeugt die Erwähnung des Ziegler-Handwerks in den Stühlinger Stadt- und Dorfstatuten von 1527. 

Die Blütezeit der Stühlinger Ziegelhütte war im 18. und 19. Jahrhundert. Sie befand sich schon seit 1696 im Besitz der Stadt, die sie Jahrhunderte lang an verschiedene Zieglerfamilien verpachtete. Zu ihnen zählten ab 1790 Peter Würth und 1808 Alois Würth. Als Letzterer 1831 altershalber vom Pachtvertrag zurücktrat, bekam ein Jahr später Baumeister Matthias Mayer den Zuschlag. Weil er aber die notwendige Kaution nicht stellen konnte, trat er vom Vertrag zurück. So kam 1833 Josef Obrist aus Höchenschwand zum Zug. Seine Nachfolge trat um 1860 Anton Büche, Maurer in Stühlingen, an.

Am 26. 8. 1869 verkaufte die Gemeinde ihr Eigentum für 4000 Gulden an den Ziegler Emanuel Sauter aus Oberdidisheim im Oberamt Balingen.  Dieser geriet schon bald in Konkurs. Am 15. März 1873 ersteigerte Christian Schempp die Ziegelhütte und betrieb sie etliche Jahre, bis er sie Ende des 19.Jahrhunderts endgültig aufgab. Die aufkommende Großindustrie bedeutete das endgültige Aus für den Stühlinger Ziegeleiofen. 

(Text: J. Binner-Schwarz/Ausstellung „Scherben bringen Glück“)

 

Abmeldungsschein

Dem hochlöblichen Gemeinderath Schleitheim / wird bekannt gegeben wegen der Lemgrube 7 / im Westerholz. / Das ich Unterzeichneter das Jahr 1897 keinen Lem mehr hole indem ich die /Ziegelei nicht mehr betreibe. / Und somit die Lemgrube im Westerholz nicht benutzen werde.

Christian Schempp  Ziegler / Stühlingen den 9. Jänner 1897

(Quelle: Gemeindearchiv Schleitheim)

 

Feierabendziegel 

Als „Feierabendziegel“ bezeichnet man Ziegel, die eingeritzte Symbole, Zeichnungen und Sprüche aufweisen. Man stellte sich vor, dass der Ziegler erst am Ende seines harten Tages Zeit und Muße hatte, um solch ein besonderes Werkstück zu kreieren. 

Johann Schempp aus der gleichnamigen Zieglerfamilie ritzte auf einem solchen  „Feierabendziegel“ seinen Namen ein und teilte mit: „18.9. 1893 Regen“. Auf einem anderen Ziegel aus der Ziegelhütte steht zu lesen: „Ich lebe und weiß nicht wie lang, Ich sterbe und weiß nicht wann, Ich fahre, ich weiß nicht wohin, Es nimmt mich wunder, daß ich so fröhlich bin 1858“. 

 

Spuren der Handwerker

In vielen Häusern im Städtle befanden sich Bodenfliesen, die vermutlich aus der Stühlinger Ziegelhütte stammen. Betrachtet man sie genau, entdeckt man immer wieder Handabdrücke auf ihnen. Manchmal sind diese so klein, dass man erkennen kann, dass auch die Jüngsten der Zieglerfamilie bei der Arbeit mithelfen mussten.

 

Römer bei der Ziegelhütte

Auf dem Areal der Ziegelhütte siedelten bereits die Römer. Ortschronist Gustav Häusler berichtet in seinem Buch „Stühlingen – Vergangenheit und Gegenwart“ von Ausgrabungen, bei denen Mauerreste, Scherben von Terra sigillata Gefäßen, Ziegel mit dem Stempel der XXI. Legion sowie römische Münzen zu Tage gefördert wurden. Als 2007 in unmittelbarer Nähe der Fundstelle Hochdruckgasleitungen verlegt wurden, begleitete ein Archäologe die Arbeiten an der Trasse. Allerdings tauchten bei der Ziegelhütte, wo man einen römischen Gutshof vermutete, zum allgemeinen Bedauern keine weiteren Relikte aus der Römerzeit auf.

 

„Was bleibt ist die Veränderung“ – Kunst aus alten Ziegeln

Der Stühlinger Keramikkünstler Gerhard Schwarz arbeitet seit vielen Jahren mit alten Ziegeln aus dem Stühlinger Städtle. Diese wurden in der Regel bei Sanierungsarbeiten von ihrem angestammten Platz entfernt. Schwarz bemalt und/oder glasiert sie, brennt sie in Raku-Technik und fügt die Ergebnisse zu Skulpturen zusammen. Manchmal verwendet er die Fliesen auch ohne sie zu behandeln.

Ein Beispiel ist die vom Stühlinger Kunstverein (früher „Streetart“) initiierte Skulptur „Was bleibt ist die Veränderung “, die vor dem Krankenhaus Loreto steht. Sie ist eng mit der Stühlinger Geschichte verbunden und war zunächst im Pfarrgarten beheimatet. Leider wurde sie dort beim gewaltsamen Unternehmen ihre Bronzefiguren zu stehlen,  mehrfach beschädigt. 2013 zog sie aus der Dunkelheit des Dorfes in den gut beleuchteten Eingangsbereich des Krankenhauses um. 

Gerhard Schwarz platzierte auf einem Metallsockel drei Türme, deren unterschiedliche Höhe auf die Einteilung der Hohenlupfenstadt in Dorf, Städtle und Schloss verweist. Er fügte sie aus ziegelfarbenen Backsteinen zusammen, die einst als Bodenbelag verschiedener Häuser der Altstadt dienten. Einige von ihnen zeigen sogar  die Handabdrücke der Personen, die sie wahrscheinlich in der Stühlinger Ziegelhütte geschlagen haben. In die so entstandenen Baulichkeiten fügte Schwarz Einzelfiguren und Figurengruppen ein, die unterschiedliche Situationen symbolisieren. Sie halten „Ausschau“ (Schloss), treffen sich zur „Versammlung“ (Gemeinderat im Rathaus) oder begehen als „Flaneure“ die mit Münzen gespickte Hauptstraße. Wer genau hinsieht, erkennt, dass sich in Stühlingen viel verändert hat. Das Schloss als einstiger Sitz der Herrschaft gehört einer Bauernfamilie aus der Schweiz und ist zum Veranstaltungsort geworden, das frühere Handwerkerzentrum im Städtle verwandelte sich in den Sitz der Verwaltung und stattdessen wird nun vor allem im „Dorf“ durch Handel, Gewerbe und Industrie das Geld verdient. Aus Gründen der Haltbarkeit  hat der Keramiker Schwarz seine für ihn typischen Figuren nach deren Ausarbeitung in Ton vom Begginger Metallgießer Max Staudt in Bronze gießen lassen.

(Texte: Jutta Binner-Schwarz)